Protokollempfehlungen

Neue Empfehlungen zu Messsequenzen der MRT der Wirbelsäule

Zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 27. Juni 2018

Die AG Muskuloskelettale Radiologie in der Deutschen Röntgengesellschaft (AG MSK) erarbeitet zu allen wesentlichen Untersuchungen der muskuloskelettalen Radiologie Protokollempfehlungen, die ein qualitativ hochwertiges Untersuchungsergebnis und einen aussagekräftigen Befund gewährleisten und dabei die Erfordernisse der Routine in der Klinik und in der niedergelassenen Radiologie berücksichtigen. Frau Prof. Dr. Andrea Baur-Melnyk vom Klinikum Großhadern München, erläutert im Interview die aktuellen Protokollempfehlungen zu Messsequenzen der MRT der Wirbelsäule.

Prof. Dr. Andrea Baur-Melnyk Frau Professor Baur-Melnyk, Rückenschmerzen sind heute eine echte Volkskrankheit. Welche Rolle spielt hier die bildgebende Diagnostik?

Fangen wir mit ein paar Zahlen an: 85 Prozent aller Menschen in Deutschland leiden einmal im Leben an Rückenschmerz. 15 bis 22 Prozent leiden zudem an chronischem beziehungsweise chronisch-rezidivierendem Rückenschmerz. Für 31 Prozent aller Krankheitstage ist Rückenschmerz die Ursache sowie für 50 Prozent aller gestellten Rentenanträge. Die Gesamtkosten aufgrund von Rückenschmerz belaufen sich auf etwa acht Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland. Das Thema ist somit sozioökonomisch extrem wichtig. Bei der Diagnostik von Rückenschmerz sollte die Bildgebung nicht automatisch erfolgen. So ist bei akutem beziehungsweise unspezifischem Rückenschmerz zunächst keine Bildgebung notwendig, weil nach aktuellen Studien dadurch hohe Kosten und Folgekosten entstehen, häufiger Chronifizierungen auftreten und unnötige Eingriffe durchgeführt werden. Bei akutem Rückenschmerz kommt die Bildgebung nur bei den sogenannten „Red Flags“ zum Einsatz. „Red Flags“ sind Begleitsymptome und Vorerkrankungen, die als Warnsignal für eine spezifische Ursache mit dringendem Handlungsbedarf gelten. Das sind insbesondere Hinweise auf eine primär unerkannte Fraktur, einen Tumor, eine Infektion oder bei radikulären Symptomen mit Lähmung eines Nerven. Des Weiteren sollte eine Bildgebung bei subakuten oder chronischen Rückenschmerzen erfolgen, wenn nach sechs Wochen leitliniengerechter Therapie kein Erfolg erzielt wurde. Grundlage hierfür ist die Leitlinie „Nationale VersorgungsLeitlinie Kreuzschmerz“ von AWMF, BÄK und KBV.

In welchen Fällen kommt die MRT bei der Diagnostik zum Einsatz?

Bei radikulären Symptomen, bei Infektionen und bei Tumoren ist eine MRT sinnvoll und hier kommt sie  auch in der Regel zum Einsatz. Die häufigste Ursache für eine radikuläre Symptomatik ist die Bandscheiben-Herniation. Seltenere Ursachen für radikuläre Symptome,  sind synoviale Zysten, aber auch Tumoren oder Metastasen, die sich in der Wirbelsäule manifestiert haben und auf eine Nervenwurzel „drücken“. Eine nicht-radikuläre Symptomatik braucht in der Regel keine sofortige Bildgebung.  

Weshalb hat die AG MSK nun Protokollempfehlungen zu Messsequenzen der MRT für die Wirbelsäule veröffentlicht?

Sehr oft ist es schwierig die genaue Ursache für den Rückenschmerz herauszufinden. Muskuläre Dysbalancen und Fehlhaltungen führen häufig zu Beschwerden; diese können wir in der MRT  nicht sehen. Zudem haben Patienten häufig mehrere pathologische Wirbelsäulenveränderungen. Oftmals liegen gleichzeitig eine Bandscheiben-Herniation und eine Facettengelenkarthrose vor. Was dann genau den Schmerz verursacht, erfordert genaue differentialdiagnostische Überlegungen unter Einbezug der Patientenanamnese und Klinik. Mit den Protokollempfehlungen möchten wir  Kollegen in Praxis und Klinik  einen Leitfaden an die Hand  geben um das richtige Protokoll für die entsprechende klinische Fragestellung zu finden

Welche Indikationen sind in den Protokollempfehlungen abgedeckt?


Wir haben die Empfehlungen in zwei Hauptprotokolle gegliedert. Das Sequenzprotokoll „Wirbelsäule nativ“ kann in der Regel degenerative Wirbelsäulenveränderungen inklusive Bandscheibendegeneration und Herniation sowie Frakturen abdecken. Das Sequenzprotokoll „Wirbelsäule KM“ sollte bei  Tumoren und Metastasen sowie bei entzündlichen Veränderungen zum Einsatz kommen. Wir haben bewusst die Protokolle knapp gehalten und spezielle Sequenztechniken, wie z.B. die Diffusion, nicht integriert, da diese in vielen Praxen nicht  durchgeführt werden können.

Wie finden die Empfehlungen nun Eingang in die klinische Routine?

Ob diese Empfehlungen in der Praxis auch Anwendung finden, bleibt abzuwarten. Für unser Haus  (Klinik und Poliklinik für Radiologie am Klinikum der Universität München/LMU München)  kann ich sagen, dass diese beiden Protokolle an allen Geräten abgelegt sind und auch immer so gefahren werden. Unsere Erfahrungen damit sind sehr positiv und wir können es allen Kolleginnen und Kollegen nur ans Herz legen.

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